Donnerstag, 9. September 2010

Taifune

Manches im Leben wird besser als man es je hoffen konnte. Manches läuft ganz anders als geplant. Das ist auch in Korea so.
Bei einem nächtlichen Taifun letzte Woche knickten drei Bäume vor unserem Wohnheim um. Ein paar Kilometer weiter kamen drei Menschen im Sturm ums Leben. Zur gleichen Zeit rannte ich im 30 Minutenrhythmus aufs Klo: Durchfall. Warum ich froh war, dass ich noch keinen Zimmergenossen hatte? Das kannst du dir vielleicht denken, aber eins nach dem anderen.

Da stand ich also an der Bushaltestelle vor der großen Bärenstatue. Der Bär soll wohl das Maskottchen unserer Uni sein und ist ein zentraler und beliebter Treffpunkt auf dem oberen Teil des Campus. Auch die Shuttlebusse zum nächsten Riesensupermarkt halten dort. Der Junge mit der DFB Shorts hatte leider keine Zeit mich auf meinen ersten Ausflug ins koreanische Supermarktlabyrinth zu begleiten. Welcher der hier stehenden Busse war der Shuttle? Kurz entschlossen fragte ich ein Mädchen, die auch alleine an der Haltestelle stand. So begann unser Gespräch aus einem Koreanisch-Englisch Mischmasch. Ich durfte im Bus neben ihr sitzen und ihr durch die High-End Mall zum E-Mart, der erfolgreichsten koreanischen Supermarktkette, folgen. Auch dort durfte ich mich weiterhin an ihre Fersen heften. Geduldig versuchte sie immer wieder alles mögliche auf Koreanisch zu erklären und wich immer erst dann aufs Englische aus, wenn ich ihr glaubhaft versichern konnte, wirklich kein Wort verstanden zu haben. Der Supermarkt ist groß und hat alles an Lebensmitteln, Haushalts-, Elektroartikeln und noch viel mehr. Letztendlich ist es aber halt einfach ein Kaufhaus voll mit koreanischen Produkten... genauere Beschreibungen würden dich sicher langweiligen. Nur eins muss hervorgehoben werden: der E-Mart Song. Immer wieder schallt dieses Lied aus den Boxen über den prall und bunt gefüllten Regalen. Dann leuchten meine Augen und ich werde von dem Verlangen erfüllt, all die schönen Sachen enthusiastisch in meinen Einkaufswagen zu werfen. Hör selbst mal hin: http://www.youtube.com/watch?v=WRYlUu1nJm8 . Ansteckend, oder?

Zurück im Wohnheim brachte ich die neu erworbenen Schätze auf mein Zimmer. Männer und Frauen wohnen selbstverständlich in unterschiedlichen Trakten des Wohnheims. Um in den Jungsteil zu kommen, muss ich eine Magnetkarte an ein Speedgate halten. Dann öffnen sich die Schranken kurz, ich kann durchhuschen und eine Frauenstimme sagt irgendwas wie „Zugang gestattet“ oder so – halt auf Koreanisch. Dann kann ich mit dem Fahrstuhl in mein Stockwerk fahren. An meiner Zimmertür angekommen, schiebe ich eine Metallplatte über der Türklinke hoch. Leuchtende Zahlentasten kommen zum Vorschein. Ich gebe den Türcode ein (durfte ich selbst bestimmen), schiebe das Metallverdeck wieder über die Tasten und betrete das Zimmer. Sobald ich die Tür hinter mir schließe, höre ich, wie sich das Schloss automatisch verriegelt. Bevor ich das Zimmer wieder verlassen kann, muss ich erst auf einen Knopf drücken, der die Tür wieder entriegelt. Herkömmliche Schlüssel gibt es in diesem Land anscheinend meist nur noch als Ersatz. Auch alle Privatwohnungen, die ich bis jetzt besucht habe, ließen sich über Zahlenkombinationen öffnen. Sobald ich mein Zimmer betrete geht automatisch die Lampe über der Zimmertür an. Das ist sehr praktisch und nach einiger Zeit geht sie automatisch wieder aus. Leider schlägt der Bewegungsmelder der Lampe auch dann an, wenn man in Bad gehen will, denn es liegt direkt neben dem Eingang. Und jetzt weißt du auch, warum ich froh war noch keinen Mitbewohner zu haben. Abgesehen von den entsetzlichen Geräuschen aus der Toilette (erst habe ich gekotzt; den Rest der Nacht stand Durchfall auf dem Programm) hätte er bei ständig an- und ausgehendem Licht wohl kaum schlafen können. Als Yonghui von dieser Nacht hörte, bemerkte er treffend: "Da gabs offensichtlich zwei Taifune. Einer draußen und einer auf deinem Klo."
Standard in koreanischen Wohnungen ist es außerdem, dass der erste Quadratmeter hinter der Eingangstür ein bisschen niedriger liegt, als der restliche Fußboden. In diesem Bereich muss man seine Schuhe ausziehen. Selbst in manchen Umkleidekabinen großer Malls gibt es diesen vertieften Abstellbereich für die Schuhe.

Die ersten Freunde aus den Nachbarzimmern sind Chinesen. Sie sprechen noch fast gar kein Wort Koreanisch und waren – wie ich – sehr froh mal gediegen Englisch sprechen zu können. Abgesehen davon ist es für sie die erste Gelegenheit ihres Lebens, diese mühsam erlernte Sprache auch anzuwenden. Sie erzählten mir von ihren Familien und Freunden, dass sie China lieben und beeindruckt sind, wie technisch fortgeschritten Korea ist. Egal, was ich sagte oder machte, sie riefen immer laut und jubelnd aus: „Oh, he is so clever!“ Als sie bemerkten dass ich Linkshänder bin, kamen sie aus dem Staunen nicht heraus. Jetzt wussten sie auch, warum ich so clever bin. Langsam musste ich annehmen, dass sie es ironisch meinten. Egal, sie sind super nett und haben mir einfach so Bananen und chinesische Medikamente vorbeigebracht, als sie hörten, dass ich krank bin.

Inzwischen bin ich aber wieder richtig fit und konnte endlich Yonghui treffen. Yonghui war letztes Semester Austauschstudent in Mainz. Wir haben viele Abende bei Bier oder Korn unsere jeweiligen Fremdsprachenkenntnisse – meist anhand tragischer Frauengeschichten – ausgeweitet und auch unsere Freundschaft vertieft. Dank Yonghui habe ich Seungyong kennengelernt. Yonghui ist auch derjenige, über dessen Vertrag ich sofort ein koreanisches Handy umsonst bekommen konnte und nun sehr günstig telefonieren und texten kann (jedenfalls hoffe ich das... noch habe ich keine Rechnung bezahlt ^^). Bei leckerem Essen in Hongdae tauschten wir Neuigkeiten aus.

Was genau wir gegessen haben berichte ich später. Jedenfalls war es so lecker, dass ich es morgen Abend mit brandneuen koreanischen Freunden vom Campus wieder essen werde. Wer weiß, vielleicht esse ich es die Tage danach auch noch mit Bona, Jonghyun und Sangkee. Dann sitzen wir vermutlich irgendwo im dichten und leuchtenden Großstadtjungle, wo viele interessant gestylte Menschen an uns vorbei strömen. Aber wie gesagt, davon berichte später mal.

Liebe Grüße,
Jonathan

3 Kommentare:

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  2. Even if I do not understand German, but I'm through Google Translator. i know you have mentioned that us, and you said we are loving our country.haha we are so excited.and i konw you are really see us as a friend.I am very pleased and honored.just like what i said in the photo:我们的友谊天长地久。 May our friendship will last forever!

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