Sonntag, 16. Januar 2011

Aus dem Leben eines 27-Jährigen


Mein Name ist Cho Suho. Wie jedes koreanische Kind, galt ich bei meiner Geburt bereits als einjährig. Weil in meinem Heimatland jeder mit Silvester auch ein Jahr älter wird, galt ich nach dem ersten Neujahrsfest bereits als zweijährig. Da ich 1985 zur Welt kam, bin ich heute 27.

Wäre ich ein Mädchen, hieße das auch, dass ich allmählich ernsthaft nach einem Ehemann Ausschau halten müsste. Als Mann habe ich noch ein paar Jahre länger Zeit. Aber spätestens als Single in den 30ern würden meine Freunde vermehrt damit beginnen, Sogeting für mich zu arrangieren, damit ich endlich eine Frau fürs Leben finde. Sogeting (kor. „sich vorstellen“ und die engl. „ing-Form“) übersetzen die Koreaner mit "Blind Date". So richtig blind ist es meist allerdings nicht. Oft kennt man sich schon vom Sehen oder hat wenigstens über soziale Plattformen im Internet Informationen und Fotos vom Date eingesehen. Da Freunde dachten, dass man gut zueinander passen könnte, haben sie, nachdem man eingewilligt hat, das Date arrangiert. Normalerweise geht man zusammen Essen, was der Mann ganz klassisch zahlt. Wenn man sich gut versteht, geht man direkt im Anschluss vielleicht noch einen Kaffee trinken, den manchmal auch die Frau ausgibt. Sogeting machen fast alle Koreaner mindestens ein paar mal. Als ich erwähnte, dass es das in Deutschland so direkt nicht gibt, wurde ich bestürzt gefragt: „Und wie lernt man dann Frauen kennen??“.
Im Highschoolalter macht man in der Regel die ersten Sogeting Erfahrungen. Oft startet man allerdings mit dem sog. „Meeting“ bevor man ans richtige Blind Date geht. „Meeting“ heißt 2-4 Jungs treffen sich mit 2-4 Mädels. Sie gehen zusammen was Essen, Trinken, in Vergnügungsparks oder sowas... an einem gewissen Zeitpunkt werde Paare ausgelost, die dann den Rest des Abends jeweils zu zweit verbringen.
Das alles ist noch Spaß. Aber wenn man älter ist, wird es ernst. Natürlich je nach Elternhaus, ich pauschalisiere und dramatisiere hier ein bisschen. Richtig ernst wird es jedenfalls, wenn sogar die Eltern beginnen Sogeting zu arrangieren. Ist der Druck auch ohne elterliche Hilfe groß genug, kann man sich an eine der vielen Partnervermittlungen wenden.

Eine besonders teure aber angeblich erfolgreiche Partnervermittlung wurde mir genauer erläutert. Die Werbung dafür sieht man an vielen U-Bahn Stationen. Wenn man sich anmeldet, muss man alle erdenklichen Informationen über sich preisgeben. Daraus wird dann eine Note errechnet. A+ ist perfekt, C- schon unterdurchschnittlich. Daraufhin werden dann Menschen mit gleicher Note und ähnlichen Interessen verkuppelt.
Damit ein Mann A erreichen kann muss er vor allem reich sein. Gute Bildung ist wichtig, danach folgt vielleicht das Elternhaus und dann das Aussehen.
Bei einer Frau ist das Aussehen das wichtigste Merkmal. Danach folgt das Elternhaus, dann wohl Bildung und Geld. Eine Frau über 30 kann auf keinen Fall mehr A sein; das gilt selbst für Fernsehstars, Supermodels und erfolgreiche Managerinnen.

Wie fest die Hochzeit im Leben der Ende 20-jährigen hier eingeplant ist, zeigt auch die Gottesdienstplanung der Gemeinde, die sich in der Nähe meiner Uni befindet. Es gibt einen Jugendgottesdienst für die Teenager und eine Andacht für 20 bis 24-jährige. Dann gibt es außerdem noch einen Gottesdienst der die Alterspanne „25 bis zur Hochzeit“ umfasst. „Hier bereiten wir uns auf das Leben in der Ehe vor“, wurde mir erklärt. Der englische Gottesdienst, den ich besuche, ist glücklicherweise nicht direkt an meine Lebensplanung gekoppelt.
Grundsätzlich ist diese Denkweise nicht ausgesprochen christlich, sondern wird von den meisten Koreanern getragen. Gesellschaftlicher Konsens ist auch das Ideal der jungfräulichen Braut.
Wer als Student in keiner eigenen Wohnung lebt und seiner Freundin körperlich trotzdem näher kommen möchte, hat dafür im Grunde nur eine einzige Möglichkeit: das sogenannte Motel. Motels gibt es wie Sand am Meer. Vor allem in den Studenten- und Partyvierteln. Ausgefranste Vorhänge ermöglichen schnelles Hinein- und Herausschlüpfen. Günstige Stundenpreise für die Zimmer kommen den Studenten sicherlich entgegen. Im Elternhaus oder Studentenwohnheim läuft jedenfalls nichts. Wie denn auch, wenn es getrennte Eingänge für Männer und Frauen gibt bzw. wenn man den Freund/die Freundin vor der Verlobung nicht mal zum Kaffee mit nach Hause nimmt.

Jetzt wie immer zur Musik und damit zu zwei noch ledigen und hier als sehr gutsehend geltenden Jungs. Da ich bis jetzt nur Girlsgroups oder Indibands vorgestellt hatte, sind nun G-Dragon und TOP dran. Eigentlich gehören sie zur in ganz Asien erfolgreichen Boygroup The Big Bang, sind zurzeit allerdings als Duo-Auskopplung unterwegs. TOP ist an meiner Uni eingeschrieben und erschien sogar einmal vor einem Hörsaal... um Autogramme zu geben.
Den Song, erzählte mir ein chinesischer Fan ganz begeistert, haben sie sogar selbst geschrieben. Aha, ein bisschen Bums, etwas Piep und Raps an denen Oli P. seine Freude hätte. Unterhaltsam ist es trotzdem und hier ziemlich angesagt.






Annyong, Suho