Donnerstag, 14. April 2011

Wieder Zurück


Ich fürchte, mit meinem letzten Blog-Eintrag ist es so, wie mit der letzten Folge koreanischer Seifenopern: man erwartet noch ein letztes großes Feuerwerk an Action und Gefühlen, aber dann plätschert die Geschichte doch nur gemächlich aus. So war es jedenfalls mit der Serie „Secret Garden“, die ich regelmäßig verfolgte und dank englischer Untertitel im Internet auch verstand. Damit gehörte ich zur Quote von über 30%, die zweimal die Woche einschalteten, um zu sehen, was die arme Stuntfrau und der superreiche Kaufhauserbe diesmal erleben würden. Ein Zaubertrank (eingeflößt von ihrem verstorbenen Vater [der als Feuerwehrmann dabei ums Leben gekommen war, als er den Kaufhauserben rettete ((lange weiß aber niemand, dass sie die Tochter seines Retters ist))]) sorgt dafür, dass die beiden Hauptcharaktere regelmäßig ihre Körper tauschen und sich so zwangsläufig näher kommen. Nachdem ich das Fremdschämen beim Gucken der ersten beiden Folgen überwunden hatte, konnte ich den Rest von „Secret Garden“ genauso begeistert verfolgen wie alle anderen um mich herum. Meine Klassenkameraden, meine Koreanisch-Lehrerin, meine koreanischen Freunde – Männer wie Frauen –, alle schienen aufgeregt mit anzusehen, wie er ihr den Milchschaum einfach so von der Oberlippe küsst. Einfach so!

Ich glaube, ich habe durch „Secret Garden“ viel über Korea gelernt. Die koreanische Gesellschaft scheint auf einem melancholischen Grundgefühl zu stehen, von dem aus sie sich nach Glück auszustrecken scheint. Der Weg, über den das Glück am ehesten erreicht werden kann, ist Leistung. Mit Liebe, einer Priese Humor und klaren Regeln wird dieser Pfad von der Familie bewacht.
Aus weniger blumiger Perspektive: Es gibt die Theorie, dass eine Gesellschaft grundsätzlich entweder auf Leistung oder auf Familie fokussiert ist. Deutschland ist ein gutes Beispiel für eine Leistungsgesellschaft. Mein Verdacht ist, dass Korea beides ist: Leistungsgesellschaft und gleichzeitig sehr auf die Familie ausgerichtet. Die Nachkriegsgeneration hat dadurch viel erreicht und schier Übermenschliches geleistet. Junge Leute setzt dieses Gefüge sehr unter Druck.
Allerdings glaube ich nicht, dass Deutsche pauschal gesehen so viel glücklicher sind. Das führt mich zu der Einsicht: Etwas anderes ist nicht unbedingt schlechter oder besser, sondern in erster Linie einfach nur anders.

„Secret Garden“ jedenfalls plätscherte bitter-süß aus. Das junge Paar lebte zwar reich und mit drei charmanten Kindern glücklich bis ans Lebensende. Die böse Schwiegermutter allerdings, akzeptierte die Liebe ihres wohlerzogenen und gebildeten Sohnes mit der armen Stuntfrau bis zuletzt nicht. Nur ihre Enkel durften sie besuchen kommen.

Die Zeit in Korea war für mich auch ein bisschen, wie ein verwunschener geheimer Garten, in den ich plötzlich geraten war. Zurück in Deutschland fühle ich mich manchmal so, als hätten sich in mir auch irgendwelche Körper vertauscht. In Seoul war ich immer der Deutsche. In Mainz bin ich vielleicht in mancher Hinsicht ein Koreaner. Jedenfalls zieht es mich wieder dorthin zurück. Die erste Packung Kimchi habe ich übers Internet schon bestellt.

Zu guter Letzt wieder ein Lied. Diesmal eins, das ich kurz vor meiner Abreise für Seoul geschrieben und schnell aufgenommen hatte. Im Nachhinein muss ich sagen, dass das Lied wirklich zu meinen Erfahrungen der letzten Monate passt und die Stadt - mit allem in ihr - treffend wieder spiegelt. „I can't hear you sing through the night black as coal, but I can hear you listening deep down in my Seoul.“


Text: T.Zwarg/J.Eicker, Musik: J.Eicker
Vielen Dank fürs Lesen.
Jonathan