Dienstag, 26. Oktober 2010

ausgeflogen

Das Wohnheim hat tatsächlich was von einem goldenen Käfig. Gold ist die eigene Mensa und der Shop mit Lebensmitteln, Snacks und Alltagsbedarf. Es gibt eine Kleiderreinigung, die in Korea übliche Fußbodenheizung in den Zimmern, einen Imbiss und ein Fitnessstudio. Am Kopf jedes Laufbandes ist ein Fernseher montiert.
Wenn da nicht die vielen Regeln, Einschränkungen und Überwachungen wären. Jungs und Mädels sind strikt getrennt in unterschiedlichen Trakten des Gebäudes untergebracht. Den Wohnbereich kann ich nur mit einer Chipcard durch das Speedgate betreten. Das heißt, theoretisch kann ich also keinen Besuch auf dem eigenen Zimmer empfangen... es sei denn er lebt auch im Wohnheim und ist männlich. Bis 24 Uhr muss man zurück auf seinem Zimmer sein. Natürlich kommt man auch noch nach Mitternacht ins Haus; dem Wachmann in der Eingangshalle ist es egal. Denn da man zum Rein- und Rausgehen immer seine Chipcard benutzen muss, bleibt nichts geheim. Der Computer speichert immer ganz genau, zu welcher Zeit ich Ein- und Ausgegangen bin.
Ab und zu werden um Mitternacht herum lange Ansagen auf koreanisch über Lautsprecher gemacht. Meistens werden wohl irgendwelche Regeln erklärt oder Organisatorisches angekündigt. Manchmal kann ich die Worte "Männer", "Frauen" und einige Stockwerke raushören. Das bedeutet dann, dass auf der Stelle einige Zimmer überprüft werden. Tatsächlich stand einmal einige Minuten später ein Mann vor meiner Tür, guckte ins Zimmer und trug in seine Liste ein, dass beide Bewohner ordnungsgemäß auf dem Zimmer waren.
Bei Übertretung der Regeln bekommt man Minuspunkte. Immer wieder werden Listen mit Namen, Zimmernummer und Minuspunkten an den Fahrstühlen aufgehängt. Wer sich auf der Liste wiederfindet muss im Büro vorsprechen. Bei zu vielen Minuspunkten droht der Rausschmiss.
Bis jetzt habe ich allerdings den Eindruck, dass man bei uns Austauschstudenten viel kulanter ist. Jedenfalls stand ich noch auf der Liste, obwohl ich schon viele Minuspunkte haben müsste. Für ein halbes Jahr lässt es sich hier also echt gut leben. Mit meinem Mitbewohner und den Nachbarn auf dem Flur verstehe ich mich wirklich super. Außerdem will ich Korea kennenlernen. Und wenn es hier nunmal so ist, will mich darauf einlassen.
Diese Wohnheimsegeln sind nach Auskunft meiner Freunde hier schon recht extrem, aber überraschen auch keinen Koreaner. In der Regel kommen die Eltern komplett für die Ausbildung der Kinder auf. Erst wenn die Söhne und Töchter eigenes Geld verdienen, gelten sie als richtig erwachsen. Und bis dahin, wird nach den Regeln der Familienoberhäupter gespielt, auch wenn – oder gerade weil – die Schützlinge nicht mehr zu Hause wohnen.
Unser Wohnheim ist übrigens das luxuriöse. Im Gebäude nebenan wohnen anstatt 2 immer 4 Studenten auf einem Zimmer. Duschräume gibt es dort nur im Erdgeschoss.

Solche und auch ganz andere Themen bespreche ich einmal die Woche in einer Diskussionsrunde. Yonghui hatte die hervorragende Idee sich mit Deutschen und Koreanern zu treffen, um die deutsche und koreanische Kultur zu vergleichen. Einmal die Woche kommen Koreaner, die schon in Deutschland waren und Deutsche, die jetzt in Seoul sind, zusammen, um zu diskutieren. Als Diskussionsgrundlage hat Yonghui das Buch „Schlaflos in Seoul“ von Vera Hohleiter vorgeschlagen. Wir haben echt interessante Gespräche und können wirklich offen und ehrlich reden. Nicht alles, was anders als zu Hause ist, ist automatisch schlechter. Manches ist sogar besser und anderes braucht einfach nur etwas Eingewöhnungszeit. Wir machen die Treffen reih um an den verschiedenen Universitäten; das machts doppelt interessant. Sonst wäre ich vielleicht nie an der Mädchen-Elite-Uni Ewha gewesen.

Ui, noch zwei Nachträge zum Emart:
Deo verkaufen sie nur im Sommer. Aha.
Man kann immer ne Menge Essen kostenlos testen. Vor allem Samstags. Vor 2 Wochen kam ich in den Genuss Joghurt, Joghurtmilch, Milch, Käse, Käsetoast, verschiedenes Fleisch, Saft, Bier, ne Art Maultaschen, Äpfel und Bratreis umsonst zu probieren. Hungrig muss hier niemand den Supermarkt verlassen.

Das Musikschmankerl von heute repräsentiert den vermutlich größten Anteil des koreanischen Musikmarktes: Die Boy- und Girlgroups. Ich hab meine Lieblingsgruppe Miss A ausgewählt. An denen können sich deutsche Möchtegernpopstars mal ein Beispiel nehmen. Wenn schon bekloppt, dann wenigstens mit Einsatz und Begeisterung. Erst mochte ich die neue und erst 2. Single „Breathe“ nicht so. Aber wenn man sie xmal in den Kaufhäusern und auf den Straßen vor den Geschäften und Cafes gehört hat (richtig... die meisten Geschäfte beschallen auch die Straße mit ihrem Gedudel. Das kann bei der Menge an kleinen Shops schnell zu einem interessanten Klangteppich führen), dann gefällt einem das Lied richtig gut. Bam.



Liebe Grüße,
Jonathan

2 Kommentare:

  1. Ihr Leben ist aufregend, aber auch sehr reich einsam. In meinen Augen sind Sie ein starkes, ich bewundere Sie ... ... ... ~ ... Weiter so Bruder!

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  2. na auf jeden Fall mögens die Mädels von Miss A bunt ;)
    Liebe Grüße, Sonia

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